Der Irish Wolfhound als Haustier

Mrs G. C. Shanks, the Irish Wolfhound Club Yearbook, 1927

Als der Präsident mich anfragte, ob ich einen Artikel über den Irish Wolfhound als Haustier verfassen könne, stimmte ich mit Freude zu, doch jetzt, da ich zu schreiben beginne, wird mir klar, dass die Aufgabe doch etwas schwieriger ist, als ich zuerst dachte.

Gleich zu Beginn muss ich zugeben, dass ich durchaus nicht von einem neutralen Standpunkt aus schreibe. Ich bin eine Enthusiastin des Irish Wolfhounds und eine glühende Bewundererin einer starken und grossartigen Rasse.

Die Persönlichkeiten der Hunde sind so unterschiedlich wie die ihrer Herren. Manche sind reizbar, manche lieb, manche egoistisch, manche edel, manche kultiviert und manche brüsk - keiner ist gänzlich schlecht und - vielleicht - keiner gänzlich gut. Doch in der ganzen Rasse Irish Wolfhound finden wir gewisse bestimmte Charakterzüge. Der vielleicht stärkste davon ist die Sanftmut ihres ganzen Wesens. So gross sie auch sein mögen, zeigt selbst das kleinste Kind keine Furcht vor ihnen. Ich habe niemals von einem Irish Wolfhound mit schlechtem Charakter gehört, selbst im hohem Alter; meiner Meinung nach ein Rekord. Hinter dieser Sanftmut verbirgt sich nicht eine geistloser, fader Charakter; sie ist vielmehr die natürliche Konsequenz einer tapferen und furchtlosen Natur.

Treue ist eine grundlegende Eigenschaft aller Hunde, doch nirgends ist sie derart ausgeprägt wie beim Irish Wolfhound. Sie können ihn ungerecht bestrafen, ihn treten, beschimpfen und vor die Türe setzen, und in einer halben Stunde wird er zurück sein, geduldig und ruhig, und nach Kräften versuchen, die seltsamen Wege der menschlichen Natur zu verstehen. Allerdings empfehle ich niemand anderem als seinem Herrn, dieses Experiment auch zu versuchen.

Seine sportlichen Fähigkeiten wurden seit der Gründung des Irish Wolfhound Coursing Clubs vor etwas über drei Jahren einem breiteren Publikum bekannt. Trotz seiner Schnelligkeit, seines starken Baus und enormen Kraft ist er aber nicht primär ein Rennhund. Seine natürliche Beute besteht - wie der Name andeutet - in einem grösseren Feind. Seine Rolle in der Grosswildjagd wird von allen Seiten anerkannt, und in den letzten Jahren waren mehrere Experimente in der Löwenjagd vom Erfolg gekrönt.

Ich persönlich verlange keine derart aufregenden Abenteuer von meinem Hund; ein täglicher Begleiter meines friedlichen Landlebens genügt mir.

Trotz seiner enormen Grösse ist er ein sehr angenehmer Haushund, weder tolpatschig noch ungeschickt; und die völlige Abwesenheit unangenehmer Gerüche - dieses Fluchs aller grossen Hunde - ist im Haus ein unschätzbarer Vorteil.

Ich gebe zu, dass er einen grossen Teil des Bodens für sich in Anspruch nimmt, muss dem aber seine Qualitäten als exzellente Fussstütze entgegenhalten.

Er ist ein geborener Sentimentalist und scheint einen starken Familieninstinkt zu haben, dank dessen er sich hervorragend mit all den kleinen Hunden aus der Nachbarschaft verträgt. Er lädt sie ein, mit ihm zu spielen und eskortiert sie danach zurück zum Tor, wünscht ihnen einen guten Tag und kommt in würdiger Einsamkeit zurück.

Einer seiner grössten Vorteile besteht darin, dass er nur eine vergleichsweise kleine Menge an Bewegung braucht, um in Form zu bleiben - auch wenn er von viel hartem Training zweifellos profitiert. Er besitzt das Talent, sich selbst zu unterhalten und muss, so denke ich, ein sehr hochentwickeltes Vorstellungsvermögen besitzen, welches seine Welt mit herrlichen Dingen bevölkert und ihn so vor Langeweile schützt.

Er ist keine streitsüchtige Natur und würde niemals einen Kampf provozieren - auch andere Hunde lassen ihn normalerweise im Anbetracht seiner Grösse in Frieden. Seinem Herrn bleibt so die Aufgabe des Schlichters von Hundekämpfen erspart.

Er ist sehr intuitiv und extrem sensibel. Ein scharfes Wort schneidet ihm ins Herz, und der sanfte Vorwurf in diesen liebenden Augen beschämt seinerseits den Menschen.

Seine Liebe macht ihn eifersüchtig - eine Eifersucht ohne Böswilligkeit. Wenn Sie einen neuen Hund mit nach Hause bringen, so wird er nicht mit ihm kämpfen oder Ihnen grollen, sondern Ihnen noch viel mehr Zuneigung zeigen als vorher, so dass Sie schnell zum Schluss kommen, dass er doch ein viel besserer Kerl ist als der andere Hund. Sollte ein Baby in Ihren Haushalt kommen, wird aus seinen Augen der Vorwurf darüber sprechen, dass Sie derart viel Liebe und Aufmerksamkeit an ein derart ermüdendes und lautes Etwas vergeuden. Jedoch nach ein paar Tagen werden Sie ihn finden, wie er vor dem Kinderwagen Wache hält.

Er interpretiert das Lied der Ruth auf seine Weise:

"Dein Besitz sei meiner und Deine Liebe meine"

In Kraft, Intelligenz, Loyalität und Ritterlichkeit hebt sich der Irish Wolfhound von allen anderen Hunden ab. Und wenn dereinst die Schatten auf sein Leben fallen und das geheimnisvolle Etwas, das Ihren Hund zum Individuum, anders als alle anderen macht, ins Walhalla solcher Dinge eingeht, können Sie auf seinen Grabstein wahrheitsgmäss die Worte einritzen:

"A very parfit, gentil knight"




 

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Last Update: 13 Jan 2007